Gender Studies: Kosmetik und Bier

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Auch im Jahr 2021 stößt man – trotz aller Fortschritte in Sachen Emanzipation – auf bemerkenswerte Geschlechterunterschiede. Wir befragen ja regelmäßig sehr viele Surfer auch nach ihren Produktinteressen. Ich habe nun einmal eine große Stichprobe daraus gezogen (n>80.000) und einen Blick auf Geschlechterunterschiede bei Produktinteressen geworfen. Das Ergebnis ist durchaus klischeetriefend: Die größten Geschlechtsunterschiede gibt es bei Kosmetik und Bier!

Die folgende Graphik zeigt die je vier Produkte mit den gößten Geschlechterunterschieden (Top-2-Werte, “Produkt interessiert mich (sehr)”). Dazwischen quasi als Lesehilfe ein geschlechterneutrales Produkt, nämlich Immobilien.

Für Immobilien interessieren sich je etwa 45 Prozent der Frauen (roter Balken) als auch der Männer (blauer Balken), also liegt der Gender-Index (schwarzer Strich) bei 100. Ganz anders bei Kosmetik: Zwei Drittel der Damen aber nur ein Viertel der Herren interessieren sich hierfür, also Gender-Index 263. Und das obwohl explizit nach “Damen- oder Herrenkosmetik” gefragt wird. Es folgen Reinigungsmittel, Körperpflege und Parfüms (ebenfalls abgefragt “für Damen oder Herren”).

Und was interessiert umgekehrt die Männer mehr als die Frauen? Bier! Autos! Computer! Heimwerkerbedarf!

Was aber auch auffällt: Die Geschlechterunterschiede bei den “weiblichen” Produkten sind stärker ausgeprägt als bei den “männlichen”, Frauen interessieren sich also relativ stärker für “Männerprodukte” wie Computer und Autos als Männer für “Frauenprodukte” wie Reinigungsmittel und Körperpflege. Es sieht so aus, als ob sich die Frauen bislang stärker emanzipiert haben als die Männer (was ja gewissermaßen auch beim Tragen von Hosen und Röcken auffällt).

Auch die Ess- und Trinkgewohnheiten von Männern und Frauen folgen altbekannten Klischees: Je gesünder, desto Frau – außer beim Naschen.

Die einzigen beiden Produkte aus dem abgefragten Food-Bereich, für die sich Männer mehr interessieren als Frauen, sind Bier (s.o.) und Wein, wobei bei Wein (oder Champagner) Männer und Frauen fast gleichauf liegen. Umgekehrt stoßen Bio- und Low-Fat-Lebensmittel bei Frauen auf ein viel größeres Interesse als bei Männern. Über einen möglichen Zusammenhang zwischen dem größeren Interesse der Damen für Low-Fat einerseits und für Süßwaren andererseits will ich hier nicht spekulieren.

Überrascht hat mich das größere weibliche Interesse für “Tiefkühlprodukte, Fertiggerichte”, das klingt im Klischee eigentlich eher nach einer Männerdomäne. Und siehe da, ein näherer Blick unter Berücksichtigung der Haushaltsgröße zeigt: In Single-Haushalten interessieren sich Männer und Frauen exakt gleichermaßen für “Tiefkühlprodukte, Fertiggerichte” (beide je 32 Prozent). Erst wenn Frauen in einem Mehrpersonenhaushalt leben, beginnen sie sich stärker für Fertiggerichte zu interessieren als die Männer, vermutlich weil sie dann die Küchenrolle übernehmen – was ja auch wieder ein nicht besonders emanzipiertes Klischee ist.

Bei allen genannten Klischees sollte man aus mediaplanerischer Sicht eines nicht vergessen: Selbst dort, wo sich Geschlechterunterschiede finden, stellt auch das weniger interessierte Geschlecht immer noch einen beträchtlichen Teil der Zielgruppe. Selbst wenn sich doppelt so viele Frauen wie Männer für Körperpflege interessieren, heißt das zugleich doch auch, dass immerhin ein Drittel der Körperpflegeinteressierten männlich ist. Ein Targeting auf “weiblich” klammert dann also ein Drittel der Zielgruppe aus. Also besser ein Targeting auf “Interesse an Körperpflege”!

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