Google kann man nur auf Augenhöhe schlagen

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Hubert Burda hat heute in der FAZ (“Wir werden schleichend enteignet”) dafür argumentiert, die Erlöse aus der Online-Vermarktung zwischen den Suchmaschinen und den Contentproduzenten neu zu verteilen. Konkret fordert er sogar den Eingriff des Gesetzgebers und die schnelle Etablierung eines Leistungsschutzrechtes. Idee dabei ist, dass der Produzent von Content (also der Verleger) relativ weitgehend kontrollieren und definieren kann wer davon in welcher Weise partizipieren darf. So könnte man also Google dazu zwingen bestimmte Gebühren abzuführen an die Verlage da Google ja bekanntlich keinen eigenen Content produziert, in seinem Geschäftsmodell aber in vielerlei Hinsicht davon profitiert, dass an anderer Stelle Content produziert wird.

Burda bezog sich in seiner Analyse vermutlich sogar nur auf das bisherige Offering von Google und Co, also noch ohne „interest based advertising“ aka Behavioral Targeting. Denn dieses hat Google ja kürzlich gestartet und es wird die Situation nochmals verschärfen. Denn nun „saugt“ Google wirklich in zahlreichen Stellen den Content ab indem Kontakte von Usern mit diesem Content nicht direkt für die Werbeverwertung, sondern nur zum Aufbau von Profilen verwendet werden. Damit wird die Sache noch mehr entkoppelt als schon bisher – jetzt bleibt es völlig der Suchmaschine überlassen was mit diesen Daten passiert und wo und zu welchen Preisen eine Monetarisierung stattfindet.

Es kann in Zukunft also passieren, dass Google gut performende Kampagnen für Automobilkunden in seinem Content-Network anbieten zu sehr attraktiven Preisen – und tatsächlich handelt es sich um von Burda-Journalisten veredelte Profile die diese hochwertige Verwertung erst ermöglichen. Nur leider wird die Werbung gar nicht auf Burda-Seiten angezeigt sondern an günstigeren Orten, vielleicht sogar mit besseren Kontaktdosen usw.

Das ist in der Tat bitter – der Befund fiele auch ohne Medienkrise nicht anders aus.

Allerdings stört mich ehrlich gesagt die Schlussfolgerung von Herrn Burda.

Aber vielleicht erst nochmal ein kleiner Exkurs: Warum ist Google eigentlich so verdammt erfolgreich? Beschäftigen sie Heerscharen von Lobbyisten oder Horden von Power-Vertrieblern? Drücken sie Ihre Produkte den Content-Anbietern unter Vorwänden rein um später abzukassieren? Oder sogar noch weitergehend: Warum nutzen verdammt nochmal so viele User Google um Infos zu einem Auto zu finden und gehen nicht direkt zu focus.de? Ich glaube es ist wichtig sich die Antwort immer wieder mal klarzumachen: Der Google Erfolg ist einzig und allein der exzellenten Produkt-Qualität geschuldet! Daher besuchen so viele User Google, daher nutzen fast alle (auch die Websites von Burda) die Werbetools von Google und leben häufig davon. Googles Werbeprodukte sind transparent und performen in vieler Hinsicht sehr gut (insbs. natürlich AdSense, die Content-Ads sind in den letzten Jahren eher durchschnittlich gewesen). Google gelingt es in absolut herausragender Weise das Internet zu „verstehen“ und dafür passende Produkte anzubieten. Wenn man sich z.B. den Adplanner ansieht oder das neue Targeting-Modul – das sind einfach gute Produkte. Und Google hat vor allem eines immer richtig gemacht was den Verlegern und klassischen Vermarktern noch heute extrem schwer fällt – es hat das Internet immer als Netz verstanden. Google-Werbung kennt keine Vermarktergrenzen – und erschliesst damit viel konsequenter Wege dem Nutzer online mit Werbung zu folgen als es alle anderen Player bisher vermocht haben.

Natürlich hat Google auch Schwächen von denen ich zwei herausheben möchte. Sie sind extrem gut darin zu messen was Leute online tun und daraus Werbung zu steuern. Das fing mit der Suchmaschine an, ging über Content-Ads weiter und hat gerade mit dem Interest Based Advertising einen neuen Höhepunkt gefunden. Problem ist: nicht alles was für Steuerung von Werbung relevant ist kann man online messen. So kann Google bis heute keine effiziente Werbung für Konsumgüter anbieten – es sucht keiner danach. Aber auch andere „intelligentere“ Segmente gibt es nicht beim Giganten – wenn z.B. ein Automobilhersteller seine Werbung gerne nur Usern anzeigen möchte die derzeit überlegen ein Auto zu kaufen wird es für Google auch eng.

Die zweite Schwachstelle im Google-Ansatz liegt genau in dem was Burda hervorgehoben hat: Google produziert keinen Content. Sie haben keine Journalisten und Redakteure. Google ist wahnsinnig schnell darin zu „berichten“ wenn in der Welt etwas vorgefallen ist – aber nur maximal so schnell wie die erste News-Seite im Index die der Crawler absucht. Es ist aber nicht nur das Defizit keine Content-Produzenten im Haus zu haben – es ist auch die ganze Verleger-Kultur die Google komplett abgeht. Und das heisst mehr als es in der aktuellen Krise den Akteuren vielleicht scheinen mag. Denn was bedeutet eine Erfolgsstory wie sie Burda z.b. mit dem Focus gelandet hat für die Werbevermarktung? Natürlich, vermarktbare Reichweite erstmal. Vor allem aber haben die Burda-Leute damit bewiesen, dass sie es verstehen mit Content ein Produkt zu schaffen, aber auch eine Zielgruppe die es vorher nicht gab. Dieses Mysterium wird Google ewig verschlossen bleiben. Und natürlich wissen die Burda-Leute auch exzellent derartige Erfolge in gute Vermarktungserlöse münden zu lassen – auch wenn die aktuelle Krise da ein bisschen Schatten drüber gelegt hat.

Die eingeforderte Lösung über den Gesetzgeber erscheint mir ehrlich gesagt absurd.

Ich glaube vielmehr, dass die Verleger und Vermarkter dieser Welt Google auf Augenhöhe etwas entgegensetzen sollten.

Sie haben den besseren Content, das bessere Verständnis von Zielgruppen und die besseren Kontakte zu den Werbekunden. Und es ist ja wirklich so – ich gehe nicht online weil es Google gibt sonder weil es spannende Fahrberichte gibt wenn ich ein neues Auto kaufen will.

Die Herren müssten nur zwei Dinge endlich mal lösen wo Google Ihnen notorisch die ganze Zeit die Rücklichter zeigt.

Zum einen muss Content online als Netzwerk organisiert werden – auch in der Vermarktung. Es kann einfach nicht mehr funktionieren, dass es zig Vermarkter gibt die Ihre Portfolios gegenseitig abschotten und Ihre Verkaufsmannschaften getrennt auf die Agenturen loshetzen. So funktioniert das Netz nicht Herr Burda! Es muss möglich sein vermarkterübergreifend Zielgruppen zu buchen die sich durch Kontakt mit hochwertigem Content qualifiziert haben – egal ob dies nun bei Burda, Holtzbrinck oder G+J war. Natürlich müssen dafür Verrechnungsmodelle geschaffen werden um gewisse Asymmetrien bei den beteiligten Partnern auszugleichen. Aber dafür gibt es funktionierende Wege – und der Vorteil die Content-Macht endlich geordnet und in voller Breite auf die Strasse zu bringen überwiegt die Risiken einfach mal deutlich. Google hat immer auch durch Einfachheit und schlanke Prozesse gewonnen. Man wird nicht gegen sie gewinnen können wenn eine nationale Reichweite auf hochwertigen Auto-Umfeldern über 10 verschiedene Vermarkter zu verschiedenen Konditionen am besten noch per Fax geordert werden muss!

Zum anderen muss natürlich eine technisch adäquate Lösung her, denn Googles Algorithmen sind gut. Aber – und da sollten alle Verleger aufhorchen – im Bereich der Content-Vermarktung ist Google bisher alles andere als unschlagbar. Die kontextsensitiven Ad-Sense-Ads performen bestenfalls mittelmässig und die Technologie zu Ihrer Aussteuerung kann fast als antiquiert bezeichnet werden. Mit modernen Targeting-Systemen die elaboriertere Mechanismen zur Profilierung von Usern nutzen ist es heutzutage kein Problem deutlich intelligentere Aussteuerungsmechanismen anzubieten. Denn selbst die Interest based Ads die Google jetzt gestartet hat sind relativ primitiv in der Anlage – mechanische Zähler auf den Besuch von bestimmten Webseiten. Keine Anreicherung, keine Statistik, kein „predictive targeting“.

Mein Appell an Herrn Burda und die ganze Verleger-Branche lautet also: nutzen Sie Ihre Stärken, beseitigen Sie ein paar unnötige Barrieren und schlagen Sie Google mit besserer Technologie auf besserem Content!

Das wäre eine bedeutend coolere Antwort auf die Gefahr aus Mountain View als jegliche gesetztliche Regelung. Denn diese wird nur von begrenzter Dauer sein. Wenn es dagegen gelänge die Mechanismen die Google so erfolgreich gemacht haben (nämlich relevante Werbung anzuzeigen) auf hochwertigem Content unter der Federführung der Content-Produzenten auf die Beine zu stellen würde Google dort auf Augenhöhe begegnet wo sie so stark sind: mit einem guten, vielleicht sogar einem besseren Produkt.

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